20/06/2016
Deutsche Texte
Stellungnahme des Václav Klaus Institutes zum sog. Brexit


Das bevorstehende britische Referendum über den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union, das am 23. Juni stattfinden wird, ist Gegenstand dramatischer Kontroversen wie auch weitreichender politischer und medialer Manipulation. Die „Objektivisten“ sprechen über Manipulationen von beiden Seiten, was falsch ist, denn nur die regierende Seite manipulieren kann. Das Referendum wird der britischen, der europäischen und der Weltöffentlichkeit als ein fataler Schritt von globaler Bedeutung vorgelegt, der mit seinem Ergebnis (das JA-Ergebnis gemeint) nicht nur die Zukunft des europäischen Integrationsprojekts, sondern auch den globalen Frieden und Prosperität gefährden könne.

Solche Bewertungen und Prognosen sind vollkommen sinnlos und unbegründet. Sie zielen darauf ab, die britischen Wähler (sowie die europäische Öffentlichkeit) einzuschüchtern und auf sie Druck auszuüben, damit das Referendum kein „falsches“ Ergebnis ergibt. Demselben Zweck dienen Meinungsumfragen, die in den letzten Tagen andeuten, dass die EU-Mitgliedschaftsgegner Vorsprung gewinnen, was offensichtlich die Mitgliedschaftsbefürworter mobilisieren soll. In einer Zeit totaler Manipulation ist es aber sehr schwer, die öffentliche Meinung vorherzusagen. Meinungsumfragen sind schon längst Teil des Wahlspiels. Großbritannien ist keine Ausnahme.

Tatsächlich liegt die Bedeutung des britischen Referendums auf einer mehr symbolischen als auf einer praktischen Ebene. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass sich die Mehrheit der Briten für das Verlassen der EU aussprechen würde. Das ist nicht der Wunsch der wichtigsten Regierungs- und Oppositionsparteien oder der überwiegenden Mehrheit des politischen und wirtschaftlichen Establishments. Die Schotten wünschen es auch nicht. Weder die europäischen Partner Großbritanniens noch die USA wollen ein solches Ergebnis. Die wahrscheinlichste Variante ist, dass das Referendum mit einem NEIN ausgeht, das Meer sich wieder schließt, und in der EU wird sich nichts Wesentliches ändern. Bis auf eine „Brexit-Belehrung“, die die EU-Spitzen daraus ziehen werden – die Notwendigkeit, jene politischen Kräfte, die sich in den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten zum aktuellen Integrationsmodell kritisch stellen, rechtzeitig und mit allen Mitteln zu beseitigen. Und dass solche Referenden nicht mehr veranstaltet werden sollen.

Eine andere Frage sind die Folgen der bevorstehenden Volksabstimmung für die britische politische Szene. Noch vor wenigen Jahren hielten viele Leute das von Regierungschef Cameron propagierte Referendum naiver Weise für ein Zeugnis seines gesunden Euroskeptizismus. In Wahrheit war es von ihm aber von Anfang an eine durchdachte Falle. Wie man erwarten konnte, schloss er sich (nur für naive Beobachter unerwartet) dem Euroföderalistenlager an, und erst jetzt sieht man ein, dass das Referendum nur deshalb veranstaltet wird, um die innerparteiliche Opposition mundtot zu machen und dem strengen Brexit-Befürworter UKIP von Nigel Farage sein Thema wegzunehmen. Alle Anzeichen sprechen jedoch dafür, dass Gräben bereits gegraben worden sind und die britische Öffentlichkeit, die lokale politische Szene sowie die Konservative Partei Camerons selbst nach dem Referendum tief gespalten bleiben werden, was wahrscheinlich nicht Camerons ursprüngliches Ziel war.

Natürlich kann man über die Auswirkungen eines hypothetischen JA-Ergebnisses  diskutieren, aber wir lehnen entschieden ab, dass ein solches Ergebnis, bis auf einen kurzfristigen psychologischen Schock für die herrschenden Eliten, jene katastrophale Folgen haben könnte, die von unterschiedlichen mit ernsthafter Miene präsentierten britischen und desto mehr kontinentalen „Analysen“ vorhergesagt werden. Das JA würde Großbritannien in vielerlei Hinsicht von den extrem etatistischen Politiken Brüssels befreien.

Es ist auch nicht klar, was ein möglicher EU-Austritt Großbritanniens faktisch bedeuten könnte, welche Änderungen auftreten würden und in welchem Horizont sie sich abspielen würden. Das alles wäre zweifellos Gegenstand langer Verhandlungen, Übergangsperioden und verschiedenen Sonderregimes, die die Beibehaltung eines Maximums des Status quo zum Ziel hätten. Wir lehnen die unseriösen Äußerungen von einer Gefährdung der europäischen Wirtschaft oder sogar des tschechischen Exports ab. Zweifellos würde Großbritannien Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraums bleiben vergleichbar mit Norwegen oder der Schweiz, so dass von wirtschaftlicher Sicht aus wahrscheinlich nichts oder nur sehr wenig passieren würde, wenn wir die unmittelbaren Panikreaktionen an Finanzmärkten außer Acht lassen. Viel interessanter sind die möglichen Auswirkungen auf die britische und europäische politische Szene.

Der Erfolg des Referendums würde eine bedeutende symbolische Bedeutung haben. Die erwachte Kraft der freien Bürgerstimme, dieser unersetzbaren Quelle und Garantie der klassischen europäischen parlamentarischen liberalen Demokratie, würde „nur“ das Scheitern des gegenwärtigen Modells der europäischen Integration etwas deutlicher bloßlegen, das uns in den heutigen allgemeinen Morast gebracht hat.  Das Beispiel eines bedeutenden Mitgliedsstaates würde dieses Ergebnis die Entfremdung der Brüssel-Politik von den Bürgern bestätigen und zeigen, dass ohne Demokratie, die auf frei zum Ausdruck gebrachtem Willen der Bürger gegründet ist, die europäische Integration sinnlos ist.

Das JA-Ergebnis würde eine Ohrfeige für die Brüsseler und Berliner Eliten bedeuten. Es wäre eine Aufforderung zum Politikwechsel. Nichts Anderes, Katastrophales oder Befürchtendes würde passieren. Lassen wir uns deshalb nicht einschüchtern. Vor allem die britischen Wähler sollten sich nicht zurückschrecken lassen, obwohl sie sehr unter Druck gesetzt werden. Der Sieg der Pro-Brüssel-Eliten kann aber einem Pyrrhussieg gleichkommen. Es ist immer mehr offensichtlich, dass die Öffentlichkeit der EU-Länder aufwacht – und dies ist auf lange Zeit nicht zu stoppen.

Václav Klaus, Jiří Weigl, Ladislav Jakl, Ivo Strejček, 20. Juni 2016.

http://www.freiewelt.net/nachricht/stellungnahme-zum-sogenannten-brexit-10067487/


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